4 Fragen an die Bundeskanzlerin Angela Merkel zur MINT-Förderung, gestellt von Stephanie Schiemann

Ich hatte die Gelegenheit unserer Bundeskanzlerin Frau Merkel vier Fragen zur MINT-Förderung zu stellen. Den Podcast finden Sie hier.

Der Dreh fand im Bundeskanzleramt in Berlin statt. Es war sehr aufregend für mich. Die Stimmung war sehr angenehm und locker. Frau Merkel begrüßte mich freundlich mit Handschlag. Ich beruhigte mich langsam. Frau Merkel ist ein Profi, mit Ruhe und Bestimmtheit beantworte sie mir meine vier Fragen.

Stephanie Schiemann

Frau Bundeskanzlerin, Sie sind Physikerin, und Physik ist offenbar ein Fach, mit dem man Karriere machen kann. Aber erfahren auch Kinder und Jugendliche genug davon, wozu MINT, also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, für das Leben zu gebrauchen sind; und warum das spannend und begeisternd ist, da mehr von zu erfahren, zu verstehen und zu entdecken? Sind Sie als MINT-Botschafterin unterwegs?

Bundeskanzlerin Merkel

[..] immer dabei, für diese Fächer – Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik – zu werben [..]

Ich bin nicht direkt MINT-Botschafterin, also mit der Aufgabe direkt betraut, aber ich bin natürlich als Bundeskanzlerin dafür verantwortlich, dass wir zukunftsfähige Ausbildung haben – dass wir auch bei den unterschiedlichen Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern natürlich die Voraussetzung schaffen, um auch in Zukunft als ein forschungsfreundliches, innovationsfreundliches Land zu gelten. Das heißt, wir brauchen viele Menschen mit solchen Berufsabschlüssen. Und deshalb bin ich vom „Girls Day“ über „Jugend forscht“ und in vielen Initiativen immer dabei, für diese Fächer – Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik – zu werben; auch zu sagen: Das sind gute Berufsaussichten, wenn man das tut. Und insofern ist das eine meiner vielen Aufgaben als Bundeskanzlerin.


Stephanie Schiemann

In meiner langjährigen Erfahrung als Mathematiklehrerin und bei der Mathe- Talentförderung und auch bei der Deutschen Mathematiker-Vereinigung habe ich mich immer wieder gefragt: Wer kann dazu beitragen, auch schon bei Grundschulkindern ein echtes Interesse an MINT zu wecken, und wie kann man das dann über die schwierige Phase der Pubertät retten? Was meinen Sie dazu?

Bundeskanzlerin Merkel

Ich glaube, man kann auf der einen Seite nicht früh genug anfangen. Wir haben ja eine ganze Reihe von Initiativen; „Haus der kleinen Forscher“ zum Beispiel. Und auch gerade in der Lehrerfortbildung gibt es verschiedene Projekte des Bildungsministeriums. Wir haben Schulen, die sich auf die mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächer spezialisieren, auch Zertifizierungsmechanismen.

Das heißt also, man darf nicht nachlassen, sondern jede Altersstufe muss in einer bestimmten Art und Weise herangeführt werden.

Wir haben viele Botschafterinnen und Botschafter in dem Bereich. Sie sprechen, glaube ich, einen interessanten Punkt an, wenn Sie sagen: Wie kann ich das gerade über die Phase der Pubertät retten; gerade auch in der Frage der Mädchen? Hier erscheint mir gerade auch der „Girls Day“, an dem wir ja immer wieder für diese Fächer werben, in der Phase der Berufsentscheidung ganz, ganz wichtig. Das heißt also, man darf nicht nachlassen, sondern jede Altersstufe muss in einer bestimmten Art und Weise herangeführt werden. Ich werde jetzt zum Bespiel eine sogenannte MINT-Garage in der Nähe von München besuchen und mich darüber zu informieren, dass Kinder aller Altersstufen dort immer wieder – entsprechend dem Bildungsstand, entsprechend dem Entwicklungsstand – Einblicke bekommen in neue, spannende technische Dinge. Wie gesagt, noch einmal, „Jugend forscht“ ist auch ein ganz tolles Projekt, was viele auch begeistert hat und viele auf einen bestimmten Berufspfad geführt hat.


Stephanie Schiemann

„Jugend forscht“ ist ja dieses Jahr auch 50 geworden, die hatten also ihr Jubiläum. Ich selbst betreibe einen Wettbewerb, der nennt sich „Mathe im Advent“, und der begeistert jedes Jahr 150.000 Kinder und Jugendliche, vom 1. bis zum 24. Dezember Mathe-Knobelaufgaben zu lösen. Offenbar ist das eben sehr motivierend, an solchen Wettbewerben teilzunehmen, aber eigentlich wäre es ja auch wünschenswert, wenn das mehr in der Schule und in den Unterricht eingebunden wäre; damit eben auch die MINT-Förderung nicht nur außerhalb der Schule stattfindet. Und so Lehrerinnen und Lehrern... – ich bin selbst auch Studienrätin und weiß, dass es da eben ganz schön schwer ist, Freiräume und Zeit dafür zu finden. Haben Sie eine Idee, wie man das verbessern könnte?

Bundeskanzlerin Merkel

Gerade da, wo technisch-mathematische Berufe gewählt werden, da ist die Arbeitslosigkeit eher geringer, und die Verdienstmöglichkeiten sind recht gut.

Naja, erstmal will ich sagen: Unser Schulsystem gilt ja gemeinhin doch noch als ein sehr gutes. Man hat, glaube ich, in den vergangenen Jahren auch erkannt, dass man darauf Wert legen sollte, dass gerade in den Abiturstufen nicht alle Naturwissenschaften und alle technischen Fächer abgewählt werden können. Wir haben inzwischen eine sehr gute Durchlässigkeit:

Man kann mit Fachabitur und mit vielen Studienmöglichkeiten auch an Fachhochschulen, selbst wenn man sich mal einige Jahre vielleicht noch nicht für die technischen, mathematischen Sachen interessiert hat, später da wieder andocken. Also, ich würde uns jetzt auch nicht schlechter machen, als wir sind, und wir haben ja doch eine beträchtliche Steigerungsrate auch beim Interesse an solchen Studienfächern. Und man darf nicht vergessen: Auch die Berufsausbildung bietet viele, viele Chancen. Wir haben ja jetzt auch „Jugend forscht“ gerade in die Berufsausbildung mit hineingenommen in den letzten Jahren; dass nicht nur Akademiker, sondern auch diejenigen, die eine Berufsausbildung machen, davon profitieren können.

Die Berufsbilder verändern sich, das heißt, wir müssen auch eine gute Berufsberatung machen. Da tut auch die Bundesagentur für Arbeit sehr viel, um das Spektrum der jungen Menschen zu erweitern: Was kann ich denn lernen? Wo kann ich meine Zukunft sehen? Und man muss immer wieder sagen: Gerade da, wo technisch-mathematische Berufe gewählt werden, da ist die Arbeitslosigkeit eher geringer, und die Verdienstmöglichkeiten sind recht gut.


Stephanie Schiemann

Es gibt ja vielfältige Mitinitiativen auch in der Wirtschaft und Industrie. Aber reicht das aus? Wollen und können Sie die Wirtschaft und Industrie mehr in Verantwortung nehmen, dass sie auch ihre Talente finden und fördern, die sie ja später brauchen?

Bundeskanzlerin Merkel

[..] insgesamt ist da viel in Gang gekommen. Und wir haben auch erhebliche Steigerungsraten bei Frauen.

Das wird eigentlich, finde ich, doch sehr breit gemacht. Wir haben viele Gespräche über den Fachkräftemangel, und ich kenne sehr, sehr viele Unternehmen, gerade mittelständische Unternehmen, die es manchmal schwerer haben als die großen Flaggschiffe der deutschen Industrie, auch den Nachwuchs zu finden, die sich sehr frühzeitig darum bemühen, in den Schulen Praktika anzubieten und Kinder und Jugendliche darauf hinzuführen, sich ihren eigenen Fachkräftenachwuchs dann auch zu sichern. Die auch eine permanente Qualifizierung machen, wenn sie Berufsausbildung haben, und später dann die Jugendlichen noch weiter bilden und qualifizieren wollen.

All das kann auch immer wieder politisch motiviert werden, aber ich finde, insgesamt ist da viel in Gang gekommen. Und wir haben auch erhebliche Steigerungsraten bei Frauen. Früher war das ja eine sehr stark männliche Domäne. Beiden Abschlüssen sind die Abschlüsse doch jetzt immerhin so, dass 44 Prozent durch Frauen erlangt werden. Das schlägt sich in der praktischen Berufstätigkeit noch nicht wieder, aber auch da sind wir auf einem – ich würde sagen – dynamischen Weg.

Hier geht´s zum pdf hier zum Podcast.